Die hohe Kunst der Liebe

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Das Kamasutra – die hohe Kunst der Liebe

Kaum ein Buch der Weltliteratur wird so oft missverstanden wie das Kamasutra. Für die meisten Menschen ist das Kamasutra ein „unanständiges“ Buch, über das man nur hinter vorgehaltener Hand redet oder besser tuschelt. Aber wer sich die Mühe macht und dieses Buch einmal richtig liest und sich nicht nur die Bilder betrachtet, der wird sehr schnell feststellen, dass das Kamasutra eine Philosophie ist, die sich mit der Liebe beschäftigt. Aber nicht nur die rein körperliche Liebe steht dabei im Vordergrund, sondern das ganze Zusammensein von Mann und Frau. Das altindische Kamasutra befasst sich auch oder vor allem mit der Spiritualität und der seelischen Ebene, auf der sich zwei liebende Menschen befinden.

Geschrieben wurde das Kamasutra im frühen 4. Jahrhundert von Vatsyayana, aber erst im 19. Jahrhundert wurde das gesamte Werk von Sir Richard Burton ins Englische übersetzt. Zwei Jahre nach dem ersten Buch übersetzte Burton auch das „Ananga Ranga“ und den „Duftenden Garten“, zwei weitere Bücher, die beide heute zum klassischen Kamasutra zählen und von denen später noch die Rede sein wird.

Nach dem Tod von Sir Richard Burton passierte ein Malheur, was fast dazu beigetragen hätte, dass der „Duftende Garten“ für immer verloren gegangen wäre. Im „Duftenden Garten“ beschreibt der Verfasser auch homosexuelle Praktiken. Als die Witwe von Sir Burton seine Notizen las und diese Passagen fand, warf sie das Ganze empört in den Kamin. Zum Glück hatte Sir Burton mit seinem Freund, dem Arzt Dr. Grenfell Baker lange und ausführlich über den „Duftenden Garten“ gesprochen und Dr. Baker konnte sich noch an viele Einzelheiten erinnern. Er schrieb sie aus dem Gedächtnis auf und so blieb auch der „Duftende Garten“ der Nachwelt fast vollständig erhalten.

Beim Kamasutra handelt es sich nicht um Pornographie, sondern um alle Aspekte der Liebe. Nicht nur der eigentliche Akt ist wichtig, sondern auch Dinge wie das soziale Verhalten der Partner spielen eine große Rolle.

Das Kamasutra beginnt mit dem Kennenlernen zweier Menschen, dann folgt das behutsame Annähern, die Werbung, schließlich die Eroberung und erst dann widmet sich das Kamasutra der körperlichen Vereinigung.

Die Partner sollen gute Gespräche miteinander führen können und die gleichen Interessen haben. Ist dies nicht der Fall, dann kann eine solche Partnerschaft scheitern, noch ehe sie richtig begonnen hat. Nach dem Kamasutra soll die Werbung des Mannes um eine Frau immer ein sehr schöner und liebevoller Prozess sein. Nur wenn sie ihn als aufmerksamen und auch sanften Mann kennenlernt, wird sie sich entschließen, seine Geliebte zu werden.

Zur körperlichen Vereinigung gehört nach dem Kamasutra auch die geistige Vorbereitung. Die Liebenden sollten sich einstellen auf das was kommt und sich von ganzem Herzen darauf freuen. Wichtig ist auch eine anregende und erotische Atmosphäre. Das Zimmer soll mit Blumen und Girlanden geschmückt sein, es soll lieblich duften und das Laken sollte so weiß wie frisch gefallener Schnee sein. Vor jeder Vereinigung sollen die Partner baden und sich mit duftenden Essenzen eincremen. Sind beide seit längerem ein Paar und kennen sich gut, dann empfiehlt das Kamasutra ein gemeinsames Bad, bei dem auch gegessen und getrunken werden kann. Anschließend sollten die Liebenden sich gegenseitig abtrocknen und eincremen. Zu dieser Körperpflege gehört übrigens auch das Entfernen der Körperhaare. Der Mann soll der Frau das Haar bürsten und ihr Luft zufächeln, wenn ihr heiß ist.

Nach dem Kamasutra dauert die Vorbereitung auf das eigentliche Liebesspiel mehrere Stunden, deshalb spielt Zeit eine sehr wichtige Rolle. Die Liebenden sollten sich immer bei den Vorbereitungen Zeit lassen, denn erst das Kennenlernen des Anderen führt zu einer in jeder Hinsicht wirklich erfüllenden Liebe.

Berühmt wurde das Kamasutra aber durch seine manchmal seltsam anmutenden Sexstellungen. Wer sich allerdings die Zeit nimmt und sich einmal genau über die 64 nachfolgenden Stellungen und Positionen informiert, der wird feststellen, dass sie so sonderbar nicht sind.
 

Die 64 Sexstellungen des Kamasutra, des Ananga Ranga und des „Duftenden Garten“

Die weit geöffnete Stellung

Die zweite, weit geöffnete Stellung

Die Hochgerundete Stellung

Die Stellung der Gefährtin des Indra

Die umklammernde Stellung

Die seitliche Stellung

Die pressende Stellung

Die umwindende Stellung

Die Stutenstellung

Die Erhobene Stellung

Die halbgepresste Stellung

Der gespaltene Bambus

Der eingeschlagene Nagel

Die Lotusähnliche Stellung

Die Krabbenstellung

Die gedrehte Stellung

Die schwebende Vereinigung

Die stehende Vereinigung

Der Kreisel

Die Schaukel

Die Zange

Die Elefantenstellung

Die Kuhstellung

Die Gleichbeinige Stellung

Die erhobene Stellung

Die Elixierstellung

Das Rad des Kama

Die unerschöpfliche Freundlichkeit

Die Vogelstellung

Der Bogen

Die allumfassende Position

Die gespaltene Stellung

Die Krabbe

Die querstehende Laute

Die Lotusstellung

Die selbstgeschaffene Position

Die Rundherum Position

Die Schlangenfalle

Die Zwillingsstellung

Die stürmische Position

Der Rollentausch

Das schwebende Erbeben

Die umgekehrte Umarmung

 

Die nun folgenden Stellungen sind zwar theoretisch möglich, lassen sich aber praktisch sehr schwer umsetzen. Im Kamasutra werden sie als „Spielerische oder auch malerische Stellungen“ umschrieben und genau so sollte man sie auch betrachten. Sie eignen sich nicht für einen wirklich befriedigenden Geschlechtsakt, sondern sind vielmehr ein Spaß. Aber bei diesem Spaß ist Vorsicht geboten, denn einige der folgenden Stellungen können für Paare, die nicht sportlich durchtrainiert sind, böse Folgen haben, sprich Verletzungen nach sich ziehen. Wer meint, dass diese oder jene Stellung machbar ist, der soll sich daran versuchen.

 

Der Vulkan

Die ruhige Kugel

Die völlige Hingabe

Die Herausforderung

Der Liegestuhl

Der große Wagen

Der Balanceakt

Die Bootsfahrt

Der Waffenstillstand

Der Brückenpfeiler

 

Die folgenden Stellungen sind aus einem Teil des Kamasutra, der sich „Duftender Garten“ nennt. Der „Duftende Garten“, auch unter dem Namen „Duftende Liebe“ bekannt, ist ein Handbuch aus dem 15. Jahrhundert, das der Scheich Nefzawi in Auftrag gegeben hatte. Dieses erotische Handbuch war ausschließlich für Männer gedacht und wurde vor Frauen verborgen. Im „Duftenden Garten“ sind Ratschläge und Anregungen zu finden, wie der Mann die körperliche Liebe mit seinen Frauen oder mit seinen Geliebten perfekt praktizieren kann. Die dargestellten Stellungen und Techniken sollten dafür sorgen, dass der Liebesakt verfeinert und intensiviert wird. Die Stellungen im „Duftenden Garten“ haben keine Namen, sondern sind durchnummeriert.

 

Die erste Position

Die zweite Position

Die dritte Position

Die vierte Position

Die fünfte Position

Die sechste Position

Die siebte Position

Die achte Position

Die neunte Position

Die zehnte Position

Die elfte Position

 

Nach der Liebe

So viel Zeit wie sich die Liebenden vor dem körperlichen Akt nehmen sollen, genauso viel Zeit sollten sie auch nach der Liebe füreinander haben. Besonders in der heutigen Zeit klagen viele Paare darüber, dass kaum Zeit bleibt, sich intensiv umeinander zu kümmern, weil einfach keine Zeit mehr bleibt. Viele Frauen leben damit, das sich ihr Partner nach dem Liebesspiel einfach auf die Seite dreht und einschläft.

Das Kamasutra beinhaltet auch für die Zeit „danach“ wichtige Ratschläge und Anregungen, wie sich Mann und Frau noch lange Zeit nach dem eigentlichen Akt sehr nahe sein können.

Wichtig dabei ist vor allem, dass sich die Liebenden ihre Liebe gestehen und sich austauschen, was ihnen am vorangegangenen Liebespiel gefallen oder besonders fasziniert hat. Aber auch Dinge, die vielleicht nicht so perfekt gelungen sind, können in der sehr intimen Situation nach dem Akt am besten besprochen werden. Das Kamasutra empfiehlt, das die Partner offen miteinander umgehen sollen, denn nur so kann ein eventuelles Missverständnis behoben werden und kommt beim nächsten Mal nicht mehr vor. Das gilt zum Beispiel für den Fall, wenn die Frau keinen Befriedigung, sprich keinen erfüllten Höhepunkt hatte. Nach der Liebe, wenn das Paar noch eng zusammen liegt und sich sanft liebkost, ist die beste Gelegenheit diesen Punkt anzusprechen. Gemeinsam kann das Paar vielleicht herausfinden, woran es gelegen hat, dass sie nicht auf ihre Kosten gekommen ist. Bei manchen Paaren wird durch ein solches Gespräch vielleicht die Lust noch einmal geweckt und es kommt zu einer erneuten Vereinigung.

So etwas wie ein vorgetäuschter Orgasmus, der heutzutage ja fast schon zum normalen Liebesakt gehört, ist im Kamasutra undenkbar. Die Lehre des Kamasutra zielt darauf ab, das jeder der Liebenden zufrieden und glücklich ist. Dazu werden die einzelnen Stellungen beschrieben. Sie sollen dem Paar dabei helfen, durch Übung ein ausgefülltes und befriedigendes Sexualleben zu führen und sich so der Liebe des Partners zu vergewissern.

Wenn man bedenkt, dass dieses Buch vor weit über 1000 Jahren geschrieben wurde und dazu in einem Land wie Indien, in dem vor allem die Männer das Sagen hatten, dann ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr sich das Kamasutra auch um die Befriedigung der Frau Gedanken macht. In machen Positionen ist es die allein die Frau, die das Geschehen bestimmt und das ist selbst in unseren Tagen nicht selbstverständlich. Insofern ist das Kamasutra nicht nur als eine Art Lebenshilfe und Sexualratgeber zu verstehen, sondern auch als ein Vorreiter der Emanzipation. Aber man kann auch dahinter die Philosophie des Kamasutra erkennen. Besonders im „Duftenden Garten“, dem Buch des Scheichs Nefzawi wird deutlich, warum bei manchen Positionen die Frauen das Sagen haben. Der Verfasser des „Duftenden Gartens“ schreibt dazu: Nur eine Frau, die hin und wieder einen Mann beherrschen kann, sei es nur beim Liebesspiel, wird im Haushalt eine sehr zufriedene Frau sein, die ihrem Mann keine Schwierigkeiten bereiten wird. Sie ist nicht zänkisch und gibt das Geld nicht mit vollen Händen aus, sondern ist ausgeglichen und fröhlich und wird ihrem Mann viele gesunde Söhne gebären. Anderseits hatten Frauen, die mit ihren Männern das Kamasutra praktiziert haben, einen zufriedenen Ehemann, der nicht zu anderen Frauen ging oder dem Glückspiel und dem Alkohol zugetan war.

Wenn man das klassische Kamasutra in die heutige Zeit übertragen würde und mehr Paare die Lehren befolgen würden und sich wirklich ausschließlich um das Wohlergehen des Partners kümmern würden, vielleicht gäbe es dann auch hier und jetzt sehr viel mehr zufriedene Paare.

 

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